Was ältere Menschen begeistert: Markt der Möglichkeiten in Schwarza

 

Der Markt der Möglichkeiten in Schwarza bringt ältere Menschen und Hilfsangebote zusammen.

Besucher lassen sich am Stand der Awo-Ergotherapie mit Finger-Massagen verwöhnen.

Schultern kreisen, Knie heben und senken, rhythmische Pendelbewegungen mit sandgefüllten Plastik-Trinkflaschen – die Übungen der Seniorengymnastik-Gruppe Schwarza-Nord sind nicht unbedingt schweißtreibender Sport. Kein Wunder, da die Teilnehmer doch zwischen 68 und 92 Jahre alt sind. Hernach folgt eigentlich das Kaffeetrinken, gefolgt vom Gespräch miteinander. Der Sport, sagt Chefin Helga Winkler, schafft im Grunde nur den Anlass: „Das Wichtigste ist die Gemeinschaft.“

Einmütiges Nicken im Versammlungsraum der Grundschule Schwarza. Zum Markt der Möglichkeiten, organisiert von Quartiersmanagement und Seniorenbeirat, sind neben etlichen Anwohnern jene gekommen, denen daran liegt, das Älterwerden als respektvolles Miteinander der Generationen zu gestalten – hier, wo der Altersdurchschnitt laut Quartiermanager Ralf Appelfeller in zwei Jahren die 60er Marke erreichen wird. Aber auch als Beispiel für die ganze Stadt, vielleicht ausstrahlend in die Region.

„Wir wollen die älteren Menschen zusammenbringen mit jenen, die Hilfe bei der Bewältigung des Lebens vorhalten“, erklärt Appelfeller. Weshalb nicht nur die üblichen Verdächtigen wie Wohlfahrtsverbände, Pflegedienste, Hörgeräte- und Rollator-Anbieter anwesend sind, sondern auch Wohnungsgesellschaft, Kleingärtner oder die Verkehrswacht.

Die bietet einen elektronischen Reaktionstest für Autofahrer an, Beratung zur Wahl des richtigen E-Bikes sowie einen Hinweis: Jeden zweiten Montag im Monat gibt es eine Schulung speziell für Ältere. „So um die 30 bis 35 Leute“, kämen fast immer, berichtet Verkehrswacht-Vorsitzender Falk Krause. Und nein, die würden nicht etwa von ihren besorgten Angehörigen geschickt, eher anders herum: „Die sagen dann ihren Kindern: So, wie Ihr fahrt, geht mal selbst zur Schulung“, hat Krause beobachtet.

Komfortable Wohnungen, Mobilitätshilfen bis hin zum faltbaren Rollator, Hilfsdienste diverser Anbieter – eigentlich seien die Bedingungen für selbstständiges Leben im Alter so gut wie nie, urteilt Hannelies Schrodetzki vom Rudolstädter Seniorenbeirat: „Wenn man es sich leisten kann.“ Was bei schmalen Renten oft zum Problem wird. Und nicht überall und immer funktioniert Nachbarschaftshilfe, oft sind die Kinder und Enkel weit entfernt, im Job eingespannt.

Eine interessante Lösung präsentiert Ingrid Mitschke vom Suhler Verein „Senioren helfen Senioren“. Hier helfen rüstige Ältere den etwas weniger fitten Alten, fahren sie zum Einkauf, begleiten sie zum Arzt oder ins Konzert, gehen mit zur Wassergymnastik, helfen bei Gartenarbeiten oder im Haushalt. Mitschke ist als Koordinierungsstelle so etwas wie die Kupplerin, nimmt Wünsche auf, bringt Bedürftige und Helfer zusammen.

Über 100 Hilfe-Pärchen hätten sich in den fünf Jahren seit Vereinsgründung gefunden, berichtet die Suhlerin, oft seien Freundschaften daraus gewachsen. Da störe auch nicht, dass das System nicht kostenfrei laufe: Acht Euro bei Begleitungen und zehn bei Unterstützung im Haushalt oder Garten kostet die Hilfe pro Stunde, sechs bis acht Euro davon bekommt der Helfende, zwei der Verein, der dafür unter anderem die Versicherung der Helfer übernimmt.

Anspruch auf Unterstützung haben nur Vereinsmitglieder, macht noch einmal vier Euro pro Monat. „Aber der Beitrag ist für die meisten Leute kein Thema“, so Mitschke. Denn nicht nur seien professionelle Hilfeleistungen oft um ein Mehrfaches teurer, auch die persönliche Beziehung der Hilfe-Pärchen werde geschätzt. „Die Rüstigen verdienen sich ein Zubrot zur Rente oder sparen für die Enkel, die Hilfsempfänger müssen kein schlechtes Gewissen haben“, erklärt Mitschke weitere Effekte.

Mit rund 200 Hilfs-Stunden war der Verein 2014 gestartet – in diesem Jahr sind es schon über 8500. Falls man in Rudolstadt dem Suhler Beispiel folgen wolle, stehe sie zur Beratung bereit.

Natürlich muss sich an dieser Stelle Christa Pidun zu Wort melden, Motor und Kopf der „Herbstzeitlosen“, ein Freiwilligen-Projekt im Landkreis, das seit 16 Jahren ehrenamtliche Seniorenbegleiter ausbildet und koordiniert. Zur Zeit seien 145 Begleiter im Einsatz, doch weitere Interessenten würden dringlich gebraucht – denn auch so mancher Helfer aus den Anfangsjahren brauche nun Hilfe.

Doch sind in Zeiten, da der Renteneintritt nicht automatisch Betagtheit nach sich zieht, die Senioren auch ein Potenzial. Bei den Kleingärtnern zum Beispiel, wie Reinert Buchbach vom Kreisverband der Gartenfreunde bestätigt: Aus den Reihen der 60- bis 65-Jährigen komme eine wachsende Nachfrage nach freien Parzellen, vor allem mittlere Größen um die 350 bis 400 Quadratmeter seien erwünscht.

„Aber kein Ehrenamt“, bedauert Buchbach. Gleichwohl reagiere man auch auf die Alterung zwischen Laube und Apfelbaum, etwa durch eine weniger strenge Auslegung des Kleingartengesetzes: Zur Not zählt auch ein hübsches Blumenbeet als Gemüse.

 

Quelle: OTZ / 04.11.2019

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