MDR Thüringen Journal zu Besuch in der Seniorenfahrschule

Bitte einsteigen. Es fahren: Flotte Senioren über 70, die trotz 50 Jahren und mehr Führerschein noch zum Fahrunterricht gehen.

von Steffen Quasebarth

 

Panik macht sich breit. Warum? Ich unterhalte mich mit Fahrlehrer Ernst Przybilla. (Bevor sie im Geiste versuchen, den Namen auszusprechen - man sagt ganz schlicht und einfach "Tschübilla". Und? Ist doch gar nicht so schwer, oder?)

 

Aber das ist nicht der Grund für meine aufsteigende Panik. Es ist mein Führerschein. Während ich ihn aus meiner Brieftasche fummele, überlege ich, wann ich ihn das letzte Mal in den Händen gehalten habe und ob irgendwas damit vielleicht nicht stimmt. Ob Herr Przybilla vielleicht so etwas sagt, wie “der ist aber nicht mehr gültig”. Und das war’s dann. Aber alles ist gut. Der erste Schreck des Tages ist Geschichte. 

 

Ernst Przybilla ist mir sofort sympathisch. Der Mann ist genau so, wie man sich einen Fahrlehrer wünscht. Alles an ihm wirkt akkurat, sauber und geordnet, von jener besonderen Akkuratesse her, wie man sie von englischen Gentleman her kennt. Sein Schnurbart ist säuberlich gestutzt, das Haar liegt perfekt, das Hemd ist gestärkt und darunter blinkt ein schneeweißes T-Shirt hervor. Der Mann weiß sich zu kleiden.

 

Ich war neugierig darauf, mit ihm zu sprechen. Ich hatte (ehrlich gesagt) erwartet mit dem “Typ Oberlehrer” konfrontiert zu werden, der alles besser weiß. Aber das Gegenteil ist der Fall. Ernst Przybilla spricht einfach gern über das, was er tut und das ist, Menschen zu helfen, am Steuer ihres Autos heil und gesund durch den Straßenverkehr zu kommen. Damit hat er Erfahrung. Mindestens ein halbes Jahrhundert. Jetzt, wo er eigentlich im Ruhestand die Enten im Rudolstädter Schlossteich füttern könnte, gibt er immer noch Fahrstunden und zwar sehr spezielle: Nämlich für Senioren.

 

Und die rennen ihm die Bude ein! Nachschulungen für Senioren sind mittlerweile so beliebt in Rudolstadt, das befreundete Fahrlehrer aus anderen Städten bereits anfragen, wie er das anstellt, dort in Rudolstadt. "Mit Werbung, Werbung und Werbung", sagt er und schmunzelt dabei. Denn freilich ist es wohl vor allem seine ganz besondere Art, seinesgleichen, also Senioren sanft aber bestimmt auf bestimmte Altersdefizite hinzuweisen.

 

Er spricht aus, was selbstverständlich ist und das tut den anwesenden Senioren in seinen Schulungen gut. Ältere Menschen sehen schlechter, hören weniger, reagieren langsamer als ihre jungen Kollegen. Sie haben Rücken, einen steifen Nacken und manchmal auch ein bisschen Altersstarrsinn. Und das muss man berücksichtigen, wenn man dann noch Auto fährt, sagt Herr Przybilla.  Seine Zuhörer nicken und geben ihm Recht. "Ja,ja - genau so ist es." Na - dann!

 

Auf in die praktische Fahrstunde. Wir fahren ein sportliches PS-starkes Vehikel mit Automatik-Getriebe. Unsere Fahrerin ist ebenfalls über die 70 und äußerst agil unterwegs. Ein klein bisschen kehrt meine Panik zurück. Zumal Sven, unser Kamera-Mann mit seinem wuchtigen 15 Kilo schweren Aufnahmegerät schwer zu kämpfen hat, auf der Rückbank. Am Ende geht doch noch alles gut aus, Fahrlehrer Przybilla ermahnt seine Schülerin, die Rechts-Vor-Links-Regel nicht gar so locker zu nehmen und entlässt sie in den Alltag. Und ich frage mich, wie lange die Dienste einer Senioren-Fahrschule noch gebraucht werden. Von wegen automatisiertes Fahren.

 

Quelle: MDR / 27.04.18

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Der 3-minütige Videobeitrag kann hier angeschaut werden.

 

Anmerkung: Interessierte können sich gern an die AWO Begegnungsstätte Markt 8 in Rudolstadt wenden.

Telefon:  03672 422827 oder 03672 8294480 oder per E-Mail: begegnungsstaette@awo-rudolstadt.de