Auferstanden aus der Versenkung



Modell der Wartburg aus Ankersteinen Foto: www.ankerstein.ch

Nah dran Ankerfreunde aus ganz Deutschland bauen in Rudolstadt Modell der Wartburg aus den 1950er Jahren wieder auf

 

Rudolstadt. Sie ist Thüringens Wahrzeichen Nummer eins: Die Wartburg. Seit dieser Woche steht sie als imposantes Modell aus Ankerbausteinen wieder in den Räumen der inzwischen zur AWO Rudolstadt gehörenden Ankerstein GmbH in der Breitscheidstraße. Dass es dazu kam, ist einer Fünfergruppe engagierter Ankerfreunde zu verdanken: Werner Bickel, Helmuth Schulze, Dieter Schäfer, Otto Hahn sowie Seven Domke. Sie kommen aus Wurzbach, Berlin, Kranichfeld und der Nähe von Hamburg.

 

„Wir wussten von diesem Modell, das bis zum Auszug des Spielhausvereins in der Richterschen Villa stand“, sagt AWO-Geschäftsführer Hans-Heinrich Tschoepke. Von dort brachte man es damals Hals über Kopf auf die Heidecksburg. Abgesehen von gelegentlichen Besuchen interessierte Ankerfreunde fristete es ein Dasein im Magazin. „Bis wir nach der Übernahme des Betriebes gesagt haben, wir holen es wieder aus der Versenkung und stellen es hier auf“, so der AWO-Chef.

 

Der im Herbst in der Clubzeitung der Ankerfreunde gestartete Aufruf, ob sich jemand vorstellen könne, beim Wiederaufbau zu helfen, findet Gehör. Doch die erste Begegnung mit dem guten Stück ist für die Beteiligten zunächst ziemlich ernüchternd. „Wie sollen wir das schaffen“?, fragen sich die fünf Männer nach dem Anblick, als alle Teile ausgepackt waren. „Ehrlich gesagt, wie waren doch etwas erschrocken“, bringt es Seven Domke auf den Punkt.

 

Auf zwei Platten war das Modell im Magazin der Heidecksburg aufbewahrt. „Eine davon stand Hochkant, da kann man sich vorstellen, zu welchen Beschädigungen es gekommen war“, sagt Helmuth Schulze.

 

Der Berliner hat eine besondere Beziehung zu diesem Meisterstück der Ankersteinbaukunst. Er war es, der es 1986 zufällig im „Deutschen Haus“ im damaligen Westteil der Stadt entdeckte. Der Lehrer und frühere Konrektor ist zu dieser Zeit schon Mitglied im Club der Ankerfreunde, der seinen Sitz in Holland hatte.

 

Erschaffen hat das Modell Hans Ludwig in den 1950er Jahren. Der Berliner Druckereibesitzer hat viel Zeit in sein Hobby Ankerbausteine gesteckt. Die nach zwei Jahren Arbeit fertige Wartburg stiftete er dem damaligen „Haus der ostdeutschen Heimat“ in Berlin, dem späteren „Deutschen Haus“.

 

Nach der Wende lebt in Rudolstadt die Ankertradition wieder auf, die in den 1960er Jahren eingestellte Produktion wird wieder aufgenommen. Der Spielhausverein kümmert sich um das Erbe. Und darum, dass das Modell nach Rudolstadt gebracht und in der Richterschen Villa aufgebaut wird. Zugute kommt den Rudolstädtern, dass sich der Betreiberverein des „Deutschen Hauses“ auflöste.

 

Seit dieser Woche nun lässt das Wartburg-Modell die Herzen aller Ankerfreunde wieder höher schlagen. Vier Tage haben die fünf Herren zugebracht, um es originalgetreu wieder herzurichten. Was sie fasziniert ist die Größe des Modells.

 

Ein Kunstwerk aus etwa 30 000 Steinen

 

„Wir haben uns zusammengefunden und gesagt: Das kriegen wir wieder hin“, sagt Helmuth Schulze. „Schließlich sind wir alles Leute, die schon mit den Steinen gebaut haben und wissen, wie es geht. Das war sehr hilfreich. Ganz wichtig war, dass wir gesagt haben: Wir fangen jetzt an. Dann sieht man auch schnell die Fortschritte“, ergänzt Dieter Schäfer. Auch er ist Berliner und besitzt die wahrscheinlich größte Sammlung an Bauten aus Ankersteinen.

 

Schätzungsweise 30000 Steine sind verbaut für das Wartburg-Modell, das auf einer Grundfläche von 6,5 mal 1,5 Metern steht und rund 600 Kilo wiegt. Haus um Haus nehmen sich die Ankerfans vor. Fügen alte Steine zusammen, lassen aus Einzelteilen Mauern, Dächer und Bögen entstehen, ersetzen fehlende Steine durch neue, entfernen Staub. „Sogar jedes Fachwerk-Element war ein einzelner Stein. Diese gibt es nicht im Original. Da musste schon mal eine Feile angesetzt werden“, erklärt Dieter Schäfer. Das Besondere: Die hier verwendeten Steine sind deutlich kleiner als die in den klassischen Ankerbaustein-Kästen vorhandenen. Aber es sind alles original Ankerbausteine.

 

„Hier vermischt sich Modellbau mit Ankerbaustein-Tradition“, ergänzt Seven Domke. Der Mann aus Ahrensburg bei Hamburg ist im Gegensatz zu seinen Mitstreitern erst seit kurzem von Anker-Virus infiziert. „Ich habe zufällig ein Prospekt in einem Eisenbahnmuseum entdeckt. Vorher kannte ich die Ankersteine nicht. Aber ich war gleich fasziniert und habe mir den ersten Kasten gekauft. Dann war ich zum Tag der offenen Tür hier und bin auch dem Club der Ankerfreunde beigetreten“, sagt er.

 

Otto Hahn kennt die Ankerbaustein-Geschichte aus dem Effeff. Er war selbst dabei, als das Modell damals aus Berlin nach Rudolstadt geholt wurde. Und als es in den 2000er Jahren nach der Übertragung der Richterschen Villa an die Alteigentümer dort wieder raus musste. Jetzt selbst mit Hand anzulegen und das beeindruckende Objekt mit seiner wechselvollen Geschichte wieder auf Vordermann zu bringen ist ihm eine Herzenssache. „Der Ankerbaustein ist ein Überlebenskünstler. Er war schon kurz nach seiner Erfindung das erste Mal bedroht, als die Brüder Lilienthal ihre Idee nicht an den Markt bringen konnten. So setzte sich die Geschichte mit immer wieder auftretenden Unterbrechungen fort. Jetzt hat die AWO den Staffelstab übernommen. Wir sind froh, dass sie diesen Schritt gewagt hat. Es ist ja keine leichte unternehmerische Entscheidung“, meint er.

 

„Es ist eine Augenweide, wenn man jetzt in den Raum kommt. Wir freuen uns, dass dieses Modell jetzt wieder der Öffentlichkeit zugänglich ist. Es freut uns als Ankerfreunde besonders, dass wir damit auch die Bekanntheit der Firma steigern können. Das gibt es tatsächlich nirgendwo auf der Welt zu sehen, nur hier“, sind sich die Baumeister einig.

 

Quelle: OTZ Heike Enzian / 24.03.18

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