Verkehrs-Schulung für Rentner in Rudolstadt der Hit



Fahrlehrer Ernst Przybilla (links) informiert Foto: Heike Enzian

Sicher im Auto unterwegs auch im Alter: Verkehrsteilnehmerschulungen für Senioren finden immer größeren Zuspruch.

 

Rudolstadt. Die etwa 20 Teilnehmer der Schulung am Montagabend in der AWO-Begegnungsstätte am Rudolstädter Markt wollen auf Nummer sicher gehen. Sie fahren seit 50 oder mehr Jahren Auto. Als sie die Fahrerlaubnis machten, „war Ulbricht noch der Chef“, wie einer aus der Runde sagte. Sie alle eint der Wunsch, möglichst lange mit dem eigenen Auto unterwegs sein zu können.

 

Aber sie wissen auch: Trotz aller Erfahrung ändert sich das Autofahren mit zunehmendem Alter. Kann ich mit dem Auto noch nach Berlin fahren? Soll ich starten, obwohl Schnee und Eis angesagt sind? Was traue ich mir zu und wie steht es um mein Reaktionsvermögen? Fragen, die sie beschäftigen.

 

Fahrlehrer Ernst Przybilla, 73, bietet seit etwa 20 Jahren spezielle Schulungen für Senioren an. Die Entscheidung dem Einzelnen abnehmen kann und will er nicht, wohl aber auf Neuigkeiten hinweisen und helfen, das Wissen aufzufrischen. Der Zuspruch gibt ihm Recht.

 

Mehrmals in der Woche ist er in Sachen Schulung unterwegs. Gestern zum Beispiel in Gräfenthal und abends in Oberpreilipp, morgen in der Reha-Klinik in Weißen. Allein in diesem Jahr hat er etwa 2500 Teilnehmer bei seinen Kursen gezählt. Eine Zahl, die selbst beim Bundesverband der Fahrlehrer in Berlin aufhorchen lässt. So viele, wie geht das? „Der Wunsch nach möglichst langer Mobilität mit dem eigenen Auto steht ganz oben bei Senioren“, weiß der Fahrlehrer. Die Fahrt zum Arzt, zum Einkauf, zu den Enkeln – das ist Lebensqualität. Doch die Menschen ändern sich mit zunehmendem Alter. Dazu kommen neue Technik an den Fahrzeugen und auch Änderungen in der Straßenverkehrsordnung. „Darauf muss man sich einstellen“, sagt er. Die Teilnahme an den Schulungen, die in einem Heftchen bestätigt wird, ist übrigens kostenlos.

 

„Aber machen wir uns nichts vor. Immer dann, wenn ältere Menschen in einen Unfall verwickelt sind, kommt als erstes die Frage nach dem Geburtsjahr. Und dann ganz schnell die Forderung, man solle den Führerschein abgeben“, so der Fahrlehrer. Genau dem soll mit der Wissensvermittlung vorgebeugt werden.

 

Von einem verpflichtenden Führerscheintest wie er beispielsweise in Polen oder der Schweiz die Regel ist, hält er nichts. „Aber ich plädiere für den Fahr-Fitness-Check, wie er unter anderem vom ADAC angeboten wird“, erklärt er. Dieser ist freiwillig und ohne Risiko, den Führerschein zu verlieren. Das sei wichtig. „Ich denke, dass viele Senioren bereit wären, ihre Fähigkeiten überprüfen zu lassen. Wenn das freiwillig geschieht“, so seine Erfahrung. Aber er weiß auch um die anderen, diejenigen, die sich ihre Defizite nicht eingestehen können oder wollen.

 

Jutta Purschke kommt seit zwei Jahren regelmäßig zu den Schulungen. „Es gibt immer viel Neues, er erklärt das wirklich gut“, sagt sie. „Man hat einiges vergessen im Laufe der Jahre. Ich würde es vermissen“. Auch sie kennt die Diskussion „Rentner runter von der Straße“. „Wir machen diese Weiterbildung mit, um noch lange fahren zu können. Wir sind ans Auto gebunden“, ergänzt sie.

 

Hans Müller kann dem nur beipflichten. Er fährt rund 12 000 Kilometer im Jahr. Die meisten in der Umgebung, aber er nutzt das Fahrzeug auch für die Urlaubsfahrt an die Ostsee oder nach Heidelberg. „Es gibt einfach ein Stück Sicherheit“, sind sich die Teilnehmer einig.

 

Quelle: OTZ - Heike Enzian / 06.12.17

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