Jugendhilfe im Saale-Orla-Kreis: Junge Flüchtlinge brauchen auch über das 18. Lebensjahr hinaus Betreuung

Jugendhilfe im Saale-Orla-Kreis: Junge Flüchtlinge brauchen auch über das 18. Lebensjahr hinaus Betreuung

Im Rahmen der Betreuung von minderjährigen unbegleiteten Asylbewerbern stellt der 18. Geburtstag einen Wendepunkt dar, denn zu diesem Zeitpunkt verlassen die jungen Menschen die Obhut des Jugend­amtes und ziehen aus der Vollzeitbetreuung in Heimen aus.

 

Triptis/Pößneck. „Sie sind ­Oromo, Ureinwohner Äthiopiens“, beschreibt Stefan ­Mömkes die fünf letzten Abgänge aus seiner ­betreuten Wohngruppe des Deutschen Roten Kreuzes in Triptis. „Sie sind hier alle 18 geworden.“

 

Im Rahmen der Betreuung von minderjährigen unbegleiteten Asylbewerbern (UMA) stellt dieser Moment einen Wendepunkt dar, denn zu diesem Zeitpunkt verlassen die jungen Menschen die Obhut des Jugend­amtes und ziehen aus der Vollzeitbetreuung in Heimen oder anderen Gemeinschaftswohnformen aus. So eine Wohnform gibt es auch in Pößneck. In der Wohngruppe für unbegleitete ausländische Kinder und Jugendliche der Volkssolidarität (VS) Pößneck lebten 2016 zehn Jugendliche zwischen 15 und 18 Jahren. Sie besuchen von dort aus die Regelschule oder das Berufsbildungszentrum in Pößneck und werden laut Teilfachplan Hilfen zur Erziehung auch in der generationenübergreifenden Arbeit der VS eingebunden.

 

Dass mit der Volljährigkeit der jungen Leute die Arbeit eigentlich noch lange nicht ­abgeschlossen ist, sagt Wohngruppenleiter Mömkes in Triptis: „Die Jungs bekommen vom Jobcenter eine Wohnung, kennen sich aber überhaupt nicht aus.“ Jeder Brief, den sie nicht verstünden, jedes Problem, etwa eine kaputte Waschmaschine oder ein leerer Kühlschrank, führe sie zurück in die Einrichtung. „Sie schlagen hier jede ­Woche einmal auf.“

 

Antrag abgelehnt

 

Denn die schlichte Volljährigkeit garantiere nicht die Reife einer Person. Besonders bei ­Geflüchteten, die völlig allein in einem fremden Land sind, sei dies eine unrealistische Erwartung. Das Jugendamt des Landkreises blende das aber aus, so Mömkes. Laut Gesetz sei es problemlos möglich, junge Menschen auch über das 18. Lebensjahr hinaus im Rahmen der stationären Hilfen zur Erziehung zu betreuen. Nach Paragraph 41 Sozialgesetzbuch – Hilfe für junge Volljährige.

 

Mömkes verweist auf ein Modell im Weimarer Land. Dort bleibe der oder die Betroffene so lange in einer Einrichtung, wie es das Hilfeplangespräch vorsehe. Bei diesem Gespräch sitzen Vertreter des Jugendamtes, ein Vormund, ein Mitarbeiter der Stabsstelle Asyl aus dem Landratsamt, der Jugendliche selbst sowie ein Dolmetscher und mindestens der Bezugsbetreuer mit am Tisch. Die Obergrenze liege bei einem Alter von 25 Jahren.

 

„Alles andere ist eine sozialpädagogische Bankrotterklärung“, sagt Mömkes und verweist auf andere Bereiche, in denen sich die Einsicht durchgesetzt hat, dass Volljährigkeit nicht gleichbedeutend mit voller Selbstständigkeit und Verantwortungsbewusstsein ist. Es sei eine „Kann-Bestimmung“ und die längere Betreuung verspreche viel mehr tatsächlichen Integrationserfolg als die Unterbringung in einer eigenen Wohnung durchs Sozialsystem, kaum sind die 18 Kerzen auf der symbolischen Geburtstagstorte ausgepustet. Sie hätten in Triptis soeben etwa ein Jahr darum gekämpft, einen jungen Mann aus Sierra Leone, der mit psychischen Problemen zu kämpfen hat, in der Einrichtung behalten zu dürfen. Im März wurde er 18, aufgrund seiner Situation sei es unverantwortlich ihn nicht weiter im gewohnten Umfeld zu betreuen. Zudem habe man für den manchmal aufbrausenden Afrikaner einen Platz in einer Tagesklinik aufgetan, um bald eine bessere Versorgung zu gewährleisten. Der Antrag zur Hilfe für einen jungen Volljährigen wurde vom Jugendamt abgelehnt. Mömkes ist dagegen in Widerspruch gegangen.

 

Er sieht sich quasi in zwei Richtungen mit Konflikten konfrontiert. Die Betreuung der jungen Menschen sei entsprechend nervenaufreibend, gibt er unumwunden zu. Viel mehr störe ihn aber die Haltung auf Landkreisebene, die eine bessere Betreuung verhindere. Während der Unterbringung laufe nebenher der Asylantrag. Selbst wenn es keine Anerkennung eines Asylstatus gebe, sei in den meisten Fällen eine Duldung die Folge. „Fast keiner wird abgeschoben“, sagt Mömkes. Die meisten Flüchtlinge im Saale-Orla-Kreis stammen nach Informationen aus dem Landratsamt aus dem Irak. Es folgen Afghanistan und Russland. Syrien steht an vierter Stelle der Herkunftsländer ­gefolgt von der Türkei, Somalia und Äthiopien.

 

Das kostet die Betreuung von unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen

 

Im Anschluss an einen früheren Bericht meldete sich ein Leser mit konkreten Nachfragen. Ihn interessierten besonders die Kosten für den Saale-Orla-Kreis, die durch die In­obhutnahme und Betreuung der minderjährigen Geflüchteten, die ohne Familie hier eintreffen, entstehen.

 

Aus dem Landratsamt heißt es dazu wie folgt: „Pro Monat betragen die Kosten für die Unterbringung, Betreuung, Versorgung, Bildung für einen unbegleiteten, minderjährigen Asylbewerber rund 3880 Euro.“

 

Träger dieser Betreuung sind aktuell in der Region: die Volkssolidarität ­Pößneck, der Diakonieverein Orlatal, die Arbeiterwohlfahrt, das Deutsche Rote Kreuz.

 

Mit den regionalen Trägern, die die Betreuung in den Unterkünften und darüber hinaus leisten, wurde ein Tagessatz vereinbart. Dieser beläuft sich auf 129 Euro. Analog zu den einheimischen Kindern und Jugendlichen in Heimen erhielten die jungen Flüchtlinge außerdem ein monatliches ­Bekleidungsgeld in Höhe von 42 Euro und ein Taschengeld in Höhe von 47,50 Euro.

 

Für das gesamte Jahr 2017 fielen für die Unterbringung der unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge im Saale-Orla-Kreis insgesamt 1,89 Millionen Euro an. Die Summe wurde­ ­dabei vollständig vom Land Thüringen finanziert.

 

Für 2018 sind im Haushaltplan des Kreises zwei Millionen Euro aufgeführt – wobei die Erstattung zu 100 Prozent durch den Freistaat erfolgt.

 

Der OTZ-Leser zielte mit ­seiner letzten Frage direkt auf eine Finanzierungsangelegenheit, die die Gemeinden im Landkreis betrifft. Er wollte wissen ob die für die Aufnahme und Betreuung von Flüchtlingen benötigten Mittel der Grund für den Anstieg des Kreisumlagesolls seien.

 

Dazu die Sprecherin des Landratsamts: Die Ausgaben für Asylbewerber im Saale-Orla Kreis seien angesichts der Erstattung der Kosten durch das Land für Veränderungen im Kreisumlagesoll nicht ­relevant.

 

Quelle: OTZ Martin Lücke / 02.05.18

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