Rudolstädter Theaterprojekt: Wenn Generationen den Glauben entfalten



Senioren und Schüler während der Hauptprobe für das Theaterprojekt „Woran glaubst du?“ im theater tumult in Rudolstadt. Foto: Norman Börner

Rudolstädter Theaterprojekt: Wenn Generationen den Glauben entfalten

Ein Theaterprojekt von Schülern und Senioren spürt der Gretchenfrage „Woran glaubst du?“ nach Rudolstadt. „So jetzt ist aber Ruhe hier. Wer etwas sagen will, der hebt die Hand“, rattert Spielleiter Ralf Appelfeller in Richtung der Schülerfraktion des Theaterprojekts „Woran glaubst du?“. Es ist drückend heiß im Theater Tumult in Rudolstadt. Aber die Fenster müssen geschlossen bleiben. Immerhin ist es einer der finalen Übungsläufe vor der Premiere am Freitag. Zu dieser fährt auch Beleuchtungsmeister Jens Zaddach bereits die schweren – und heiß strahlenden – Lichtgeschütze auf. Fremdlicht hat unter Auftrittsbedingungen keinen Platz im Theater. Somit auch leider keine frische Luft. Und erst recht kein Durcheinanderplappern.


Trotz Altersunterschied: Alle sind ein Team


Jutta Kühn, von der Generation 60plus aber bleibt cool, hebt den Zeigefinger und die Lippen zu einem „Pssst!“. Die Runde verstummt. Welche Mentalitäten sich in einem Mehrgenerationenprojekt Bühne, Text und Geduldsfäden teilen, ist sofort präsent. Doch bevor es gleich ernst wird, formt die Truppe einen Kreis und schwört sich wie eine Fußballmannschaft ein. Hier steht eine eingeschworene Gruppe auf dem Bühnenparkett. Seit vielen Wochen proben die Theatergruppe Die Entfalter und sieben Schüler der Friedrich-Adolf-Richter-Schule – beide unter dem Dach der Arbeiterwohlfahrt (AWO) Rudolstadt heimisch – für das Stück. Unterstützung bekamen sie dabei vom Theater Rudolstadt sowie dem Freistaat, dem Landkreis und der Stadt, die ihre Fördermitteltöpfe öffneten.


„Es ist unglaublich, wie sich die jungen Darsteller, die zum ersten Mal auf der Bühne stehen, entwickelt haben. Bei den ersten Proben noch leise und scheu, spielen sie inzwischen mit Selbstvertrauen und Mut“, schwärmt Ralf Appelfeller.


Am Anfang stand lediglich eine grobe Idee von ihm und den Entfaltern in den Startlöchern. Ein Stück über Glauben sollte am Ende über die Ziellinie gehen. Bei der Suche nach der richtigen Umsetzung stellten sie fest, dass links und rechts des Weges tausende Interpretationen dieses Themas liegen. „Während der Recherche dachten wir in alle möglichen Richtungen“, erinnert er sich. Glaube, das schien für jeden eine andere Bedeutung zu haben. Zwischen dem Vertrauen in die Naturgesetze und dem Glauben an Gott lagen zahlreiche Nuancen in der Luft. Dabei saß zu dieser
Zeit ja eine durchaus homogene Generation am Beratungstisch. Was würden erst die jungen Leute zu sagen haben? Die Idee des generationenübergreifenden Stücks war geboren. „Zur Vorbereitung führten die älteren Darsteller Gespräche und Interviews mit dem Nachwuchs. Deren Inhalt reichte vom Erkundigen nach dem Befinden bis zur Frage nach dem Sinn des Lebens“, erinnert sich der Spielleiter.


Und während sich die Älteren noch an Gebetsstunden erinnerten, schwirrten den Jüngeren beim Thema Glaube fast alles zwischen der Unendlichkeit des Universums und der Umbenennung von „Capri Sonne“ in „Capri Sun“ durch den Kopf.


Und so ist das Stück eine Reise entlang der großen Fragen des Menschseins – „Wer, was und warum bin ich eigentlich?“ – sowie dem gelegentlichen Widerfinden des Selbst zwischen Banalität, Markennamen und Abenden vor dem Fernseher. Die Akteure begeben sich dazu spielerisch auf eine Insel, wie Robinson Crusoe es einst tat, um die Kraft des Glaubens auf den Prüfstand zu stellen. Welche Rolle spielt er, ohne andere Menschen an unserer Seite?


Es bleibt der Glaube an die Freundschaft


Dabei liegt es wohl in der Natur der Sache eines Stücks, welches die Biografien der Darsteller aufnimmt, dass ihm sozialer Zündstoff innewohnt. „Ich kann Menschen nicht einfach zusammen werfen und sagen: Macht mal! Es mussten Regeln aufgestellt werden, die immer besser funktionierten“, so Ralf Appelfeller. „Es ist eine freundschaftliche Beziehung entstanden“, sagt Jutta Kühn, die Dame die eingangs das Geplauder erstickte. Das sieht auch Schülerin Luisa Linden so: „Wir Kinder haben viel darüber gelernt, was die Erwachsenen erlebt haben und sie wissen jetzt, was wir erwarten“. Und so zieht sich ein thematischer roter Faden durch die Suche nach dem Glauben: Freundschaft. Und die erträgt auch mal einen erhobenen Zeigefinger und etwas Krach zwischen den Textzeilen.

 

 

Quelle: OTZ - Norman Börner / 16.06.17